Page 8 - Amtsblatt Altenkunstadt - Dezember 2023
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8 Informationen Nr. 12 - 18. Dezember 2023
Der Austausch der großen Glocke in der katholischen Kirche
Von Thomas Siebenaller und Wolfgang Reiner
Warum muss die große Glocke der katholischen Pfarrkirche Mariä Geburt im Jahr 2024 ausgetauscht werden? Ganz einfach, weil der Klöppel aus der DES-Glocke herausgebrochen ist und die Kirchenverwaltung nach ausführlicher Diskussion sich dafür entschieden hat, dass ein Austausch die nachhaltigste Lösung darstellt.
Die Geschichte des Altenkunstadter Geläutes haben die Autoren sowohl im hiesigen Gemeindearchiv als auch im Erzbischöflichen Archiv zu Bamberg recherchiert.
Die ersten Angaben zu einem möglichen Glockenkauf – so ge- nannt, weil noch nicht klar ist, ob es sich um den ersten Einbau oder um einen Austausch handelt, da die Pfarrkirche ja bereits 1527 geweiht worden ist – finden sich im Jahr 1749 in den Kirchenrechnungen von Altenkunstadt. (Fundstelle: Erzbischöf- liches Archiv) Da konnte auch festgestellt werden, dass damals drei Klöppel für zehn Gulden und 36 Kreuzer erworben wurden. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass anno 1749 drei Glocken eingebaut wurden, eine weitere Glocke evtl. 1753.
Dieses Geläut erklang fast 160 Jahre lang. Im Jahr 1906 bestand für die damalige Kirchenverwaltung mit den Herrn Pfarrer Hager, den Herren Ultsch, Schuster und Weberpals Handlungsbedarf. Sie kamen zu der Auffassung, dass die Glocken im Laufe der Zeit „... schadhaft geworden waren.“ Und so beschloss das Gremium am 25.09.1906, vier neue Glocken bei der Glockengießerei Lotter in Bamberg in Auftrag zu geben.
Die veranschlagten Kosten für die Glocken betrugen für die große DES-Glocke 3.000,-- Reichsmark (RM), für die zweite f- Glocke 1.500,-- RM, für die dritte as-Glocke 950,-- RM, für die vierte b-Glocke 650,-- RM. Der Erlös für das Material der alten Glocken wurde vom angebotenen Preis abgezogen. Insgesamt belief sich die Investition auf 6.285,-- RM.
Im Glockenturm wurde der Glockenstuhl mit ertüchtigt. Die Eichenhölzer wurden aus der „Röhrigsmühle“ von Herrn Adam Schonath geliefert. Der Preis der Hölzer betrug insgesamt 45,04 Reichsmark. Das Eichenholz wurde „zum Fusse des Kordigast geschlagen“. Die Arbeiten im Turm übernahm die hiesige Firma Johann Löppert sen. & Sohn zu maximal 40 Pfennig die Mau- rerstunde. Ein Metallunterzug wurde unter dem Glockenstuhl eingebracht.
Am 24.05.1907 wurden laut Schreiben des Erzbischofs an den Pfarrer von Altenkunstadt, die neuen Glocken in St. Gangolf in Bamberg geweiht. Im Anschluss daran wurden sie per Bahn nach Burgkunstadt transportiert und vom dortigen Bahnhof in feierlichem Zug zu ihrem Bestimmungsort geleitet.
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs erließ das Kaiserreich eine Verordnung, worin angeordnet wurde, dass Kirchenglocken im Bedarfsfall auszubauen waren, um daraus ggf. Kanonen gießen zu können. So wurde am 5. September 1918 – 67 Tage vor Ende dieses Krieges – das Geläut aus der Pfarrkirche Altenkunstadt ausgebaut und nach Lichtenfels in ein Lagerhaus verbracht. Das Ende des Ersten Weltkriegs, am 11.11.1918, verhinderte einen Weitertransport von Lichtenfels weg. Die Glocken fanden dann sehr bald ihren Weg zurück in den Kirchturm nach Altenkunstadt. Genaue Angaben dazu sind jedoch nicht zu finden.
Seit 1939 befand sich Deutschland – nun das „Dritte Reich“ – erneut im Krieg. Reichsmarschall Herrmann Göring erlies bereits
am 29. März 1940 – anlässlich des bevorstehenden Geburtstags des „Führers“ – einen etwas anderen „Spendenaufruf“, in dem u.a. der Diebstahl von im Krieg benötigten Metall mit der To- desstrafe geahndet wurde. So kam es, dass im Jahr 1942 erneut Glocken aus dem Kirchturm in Altenkunstadt entfernt wurden. Obwohl man Anfang 1942 mit Hilfe einer wissenschaftlichen Ex- pertise über die „Einmaligkeit des Klanges“ des Altenkunstadter Geläuts versucht hatte, den Vollzug dieses Dekret zu verhindern. Diesmal waren jedoch nicht alle vier Glocken betroffen, sondern nur drei – die große DES-Glocke, die f-Glocke und die b-Glocke -, während die vierte as-Glocke quasi als Notglocke hauptsächlich für die öffentliche Uhr in der Pfarrei Mariä Trost verblieb. Dies geht aus dem Schriftverkehr der Gemeinde mit der Kreishand- werkerschaft hervor, die im Gemeindearchiv erhalten ist. Während anhand der Gemeindeakten der Ausbautermin nur im Zeitraum zwischen Januar und März 1942 festlegbar ist, beinhal- ten die Akten des Erzbischöflichen Archivs den genauen Termin, nämlich den 2. Februar 1942 – Maria Lichtmess. Am 03.02.1943 erfolgte dann der Abtransport nach Kronach.
Im Archiv des Erzbistums befinden sich ausführliche Listen, welche Glocken von der Firma Johann Löppert ausgebaut wur- den. Diese Listen beinhalten die Nummern der Glocken und den genauen Durchmesser. Die Wichtigkeit der Angaben war für die spätere Wiederbeschaffung noch nicht eingeschmolzener Glocken enorm wertvoll. Damit erfolgte die konkrete Identi- fikation der jeweiligen Glocke auf dem Glockenfriedhof im Hamburger Freihafen. Es gibt auch eindeutige Hinweise, dass die „grosse Glocke“ 1943 zerstört wurde, d.h. sie wurde vermutlich aufgrund des hohen Materialwertes bei 102 cm Durchmesser eingeschmolzen.
Im Jahr 1947 wurde der Kaufmann Bruno Döring beauftragt, die im Hamburger Freihafen aufgefundenen und identifizierten zwei Glocken – die „f“- und die „b“- Glocke – aus Altenkunstadt wieder an ihren Bestimmungsort zurück zu bringen. Aus den Akten geht auch die Dringlichkeit der erteilten Vollmacht hervor, da unverzügliches Handeln von Nöten war, um die begehrten Klangkörper zurück zu holen.
Am 1. September 1953 richteten Pfarrer Lang und die Herren der damaligen Kirchenverwaltung – Kirchenpfleger Leikeim, Hans Schreppel und Herr Gückel – ein Schreiben an die Gemeinde, in dem man die politische Gemeinde um einen Zuschuss zum Guss der neuen „grossen Glocke“ bittet. Die Vorbereitungen zum Guss der DES Glocke müssen schon länger im Gange gewesen sein, da sowohl die ausführende Firma – wieder die Fa. Lotter in Bamberg – als auch der endgültige Preis der Glocke – „7.000,-- DM“ – in dem Schreiben genannt werden.
Die Gemeinde, unter Leitung des Bürgermeisters Böhmer, re- agiert unverzüglich. In einer Sitzung des Gemeinderates wird am 14.10.1953 einstimmig beschlossen, dass ein Zuschuss in Höhe von 2.000,-- DM gewährt wird. Dies wird der Kirchenverwaltung am 15.10.1953 schriftlich mitgeteilt, wofür sich die Kirchenver- waltung mit Schreiben vom 16.10.1953 „untertänigst“ bedankt. Dieses schnelle Handeln war definitiv erforderlich, denn am 22.10.1953 wurde die neue „grosse Glocke“ bereits gegossen und für Allerheiligen 1953 war bereits die feierliche Weihe anberaumt.