Vorchristlicher Quellenkult / Geschichte von Hostienschändung
Eingerahmt von Kordigast und Külmitz grüßt die Pfaffendorfer Kapelle. Vor zwei Wochen wurde in einem Festgottesdienst mit dem Erzbischof Dr. Ludwig Schick der 300. Weihetag begangen. Das Obermain-Tagblatt hatte darüber berichtet.
Was bisher noch nicht erwähnt wurde, dass sich die Kapelle auf einem vorchristlichen und uralten Kultort befindet. Wahrscheinlich ist eine Quelle mit ihrem besonders guten Wasser die Ursache für den Standort. Schon in vorchristlicher Zeit wurde das Quellwasser von unseren Urahnen verehrt.
Im Mittelalter versuchte man mit Legenden ungewöhnliche Standorte von Kirchen zu erklären. In der Pfaffendorfer Legende handelt es sich um ein Wandermotiv, das man im ausgehenden Mittelalter relativ häufig antreffen kann. Es sind Geschichten vom Frevel an Hostien. Als Hostienfrevel oder Hostienschändung bezeichnete die römisch-katholische Kirche zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert den angeblichen Missbrauch von konsekrierten Hostien. Die Beschuldigten waren meist Juden.
Räuber warfen die Hl. Hostien weg
In dieser sehr kurzen Erzählung sind es aber nicht Juden, sondern Räuber. Es wird berichtet, dass Räuber Hostien aus der Altenkunstadter Pfarrkirche gestohlen hätten. Auf dem Weg nach Pfaffendorf hätten sie die Hl. Hostien weggeworfen. Ein junges Mädchen habe diese gefunden. An der Fundstelle hätte man später einen Bildstock und danach eine Kapelle errichtet. Möglicherweise ist die Legende erst entstanden, als der Bildstock schon dastand und man nach einer Erklärung für die Hostie auf dem Notburga-Relief suchte.
Einziger Hinweis auf eine Hostienverehrung ist ein spätgotischer Bildstock, der heute im Kircheninneren steht. Auf der Stirnseite sieht man St. Notburga mit Kelch und Hostie und einer frei schwebenden Sichel.
Diese besondere Sichel finden wir auch in einer anderen Erzählung aus dem Staffelsteiner Land, welche im Buch „Sagen und Legenden des Lichtenfelser Landes“ von E. u. K. Radunz zu finden ist. „Die fromme Magd zu Horsdorf“ aus der gleichnamigen Legende ist auch in einem Fresko in der Kirche in Rothmannsthal dargestellt. Wer diese Legende mal live hören möchte, der hat am ersten Sonntag im September um 16 Uhr die Gelegenheit bei Erik Berkenkamp auf dem Staffelberg.
Kommen wir zum Bildstock in Pfaffendorf zurück. Auf den Schmalseiten des Bildstockes ist auch St. Laurentius, der frühere Kirchenpatron, dessen Gedenktag heute ist, zu sehen. Ursprünglich stand der Bildstock im Freien, östlich der Kapelle über der Quelle. Er wird mit der Jahreszahl 1313 bezeichnet, dürfte aber erst aus der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts stammen.
Gläubige krochen durch halbkreisförmigen Bogen
Bis gegen Ende des 19.Jahrhunderts soll der Bildstock in der Mitte der Kapelle gestanden haben. Da aber sogar während des Gottesdienstes Gläubige durch den halbkreisförmigen Bogen hindurch gekrochen seien, habe man den Bildstock an die Wand gerückt und dem Brauch ein Ende gesetzt. Im Durchkriechen von Bäumen und hohlen Steinen erhofften die Menschen sich eine Linderung von Schmerzen, insbesondere von Rückenschmerzen. Dieser Brauch ist zum Beispiel beim Otto-Grab des ehemaligen Benediktinerklosters Michelsberg in Bamberg bekannt. Dass dieser Brauch im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet war, beweist auch ein Hinweis von Jakob Grimm, der mit seinem Bruder Wilhelm vor über 200 Jahren die bekannte Märchensammlung anlegte. Er schrieb: „Man heilte auch, indem man Kinder oder Vieh durch ausgehöhlte Erde, hohle Steine oder einen gespaltenen Baum gehen oder kriechen ließ.“
Lochsteine und Durchkriechbräuche
Darüber hinaus finden wir diese Rituale auch im europäischen Raum. So ist der Brauch auf dem Balkan, in Frankreich, Italien, Malta und Irland bekannt. Neben den Rückenschmerzen soll man auch von Durchfall befreit werden. Des weiteren auch in einigen asiatischen Ländern wie Nepal und Thailand. Dort wird der Brauch vor allem zur Erlangung besserer Fruchtbarkeit praktiziert.
Andreas Motschmann