Ein Reisebericht vor genau 225 Jahren am Obermain
Im 21. Jahrhundert können wir auf den unterschiedlichsten Wanderwegen den Gottesgarten am Obermain erkunden. Bei der Vielfalt von über 1.000 Wanderkilometern haben heutzutage die Urlaubsgäste und auch die Einheimischen die Qual der Wahl, sehr viele gut ausgeschildete Wanderwege zu genießen. Das jüngste Angebot sind die Keltenwege in unserem Landkreis. Auch hat das Obermain-Tagblatt zwischen Mitte März und Ende Juni 18 interessanten Wandertouren wöchentlich im Obermain-Tagblatt vorgestellt und jetzt einen Fotowettbewerb auszuschrieben.
Besuchermagnete sich sicher Vierzehnheiligen und der Staffelberg. Rund eine halbe Million Besucher hat Vierzehnheiligen, dieses Prachtstück der Baukunst von Balthasar Neumann (1687-1753) jährlich zu verzeichnen. Heutzutage haben wir auch viele Fortbewegungsmittel, um unsere Region zu genießen, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, der Bahn oder dem eigenen Auto.
Doch wie war das vor vielen Generationen? Welche Möglichkeiten und Wege hatten damals die Reisenden beim Besuch unserer Region? Was wissen wir von Reiseberichten aus dieser Zeit? In einem Band sind die Reisetagebücher Jean Pauls zwischen 1816 und 1823 enthalten. Ebenso beschrieb in dieser Zeit Friedrich Rückert seine Reiseerlebnisse.
Frühe Reiseberichte vom Obermain
Joseph Victor von Scheffel lernte bei seinem ersten Aufenthalt am 1. Oktober 1845 unsere Gegend kennen. Wohl auf seiner Reise nach Berlin, wo er ab dem 25. Oktober 1845 immatrikuliert war. Im Jahr 1868 besuchte er die Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen. Des weiteren war Scheffel 1859 für zwei Monate zu einem Erholungsaufenthalt in Banz. Dort schrieb er auch das Wanderlied, das später als Frankenlied bekannt werden sollte. Kurz vor seinem Tode schrieb er noch dem Eremiten vom Staffelberg Ivo Hennemann Scheffel.
Fast keine Reiseberichte finden wir aus dem 18. Jahrhundert vom Obermain. Eine Ausnahme macht ein kleiner Reisebericht aus dem Jahr 1792, welcher im
Band 5, auf der Seite 487-488 im „Journal von und für Franken“ veröffentlicht wurde. Dieses Journal war eine Zeitschrift, die monatlich von 1790 bis 1793 insgesamt 35 mal erschien und zirka 400 Beiträge beinhaltet. Die Hefte wurden in 6 Bänden zusammengefasst.
Quer durch Franken zog ein uns unbekannter Schriftsteller. Seine Reiseeindrücke brachte er sofort zu Papier und hinterließ so interessante Detailbeschreibungen aus dieser Zeit.
Im Band 5 wurde von „ältern und neuen adelichen und unadelichen wichtigen Familien, von merkwürdigen Personen aller Art, und zwar Biographien derselben, oder doch Anekdoten und charakteristische Züge von denselben“ beschrieben und so kam es zu den kurzen Bericht aus Altenkunstadt:
Eine Mittagsrast zu Altenkunstatt
„Auf meiner Reise nach Kulmbach fügte es sich, daß ich zu Altenkunstatt Mittag halten mußte. Es ist dieses ein im Hochstift Bamberg gelegenes Dorf, und hat einen Cisierzienser Geistlichen aus dem ohnweit davon gelegenen Kloster Langheim zum Pfarrer. Bis meine Pferde gefüttert waren, wollte ich mich ein wenig, meiner Gewohnheit nach, im Dorfe umsehen. Der Kirchhof hat, wie ich vorher zu Mürsbach, einem Wirzburgischen Dorfe an der Itsch, gesehen hatte, das Ansehen einer kleinen Vestung, die in ältern Zeiten gegen einen nicht zu mächtigen Anfall ihre guten Dienste mag geleistet haben. Gleichwie ich in der Kirche zu Mürsbach die Denkmähler der alten Familie von Füllbach angetroffen hatte, so sah ich hier an den Wänden die Leichensteine des ausgestorbenen, und in dieser Gegend sehr.
Allein eine ganz neue neben der Sacristey errichtete Grabschrift zog meine Aufmerksamkeit an sich, und wie freuete es mich, daß man auch einem verdienten Schulmann auf dem Lande ein Ehrendenkmahl stiften wollte! Er hieß Nicolaus Schimmel, war 24 Jahre daselbst Schulmeister, stiftete aus seinem Vermögen eine Freyschule, und für sich einen ewigen Jahrtag..... das Distichon enthält das Sterbejahr 1743 dieses wackern Schulmannes. Ich segnete seine Gebeine, und den Urheber dieser in Gipsmarmor gegrabenen Denkschrift, welcher, wie ich nachher erfuhr, P. Hieronymus Bauer aus Langheim war, der als Amtmann in Tambach für alle, die ihn kannten, zu früh gestorben ist.“
Soweit der anonym gebliebene Mittagsgast in Altenkunstadt vor 225 Jahren. Mit seiner Vermutung, die „Leichensteine“ an den Wänden des Langhauses gehörten Angehörigen des „sehr begüterten adelichen Geschlechts von Kunstatt“ lag der Verfasser allerdings falsch. Wahrscheinlich war seine Annahme in der Beziehung zum Ortsnamen begründet. Die Grablege in der Altenkunstadter Pfarrkirche wurde vielmehr von den Herren von Schaumberg zu Strößendorf und Burgkunstadt sowie von den Herren von Redwitz beansprucht. Am 3. Mai 1452 hatten sie sich dieses Recht mit der Stiftung einer Frühmesse erworben.
Dennoch ist es interessant, zu erfahren, was einem Fremden in Altenkunstadt auffiel und wohin er seine Schritte lenkte, als er sich auf der Durchreise während der Mittagspause etwas die Beine vertrat.
Eine Tortur – mit der Kutsche unterwegs
Was wir im Reisebericht nicht erfahren konnten, in welchen Zustand die Wege auf der Durchfahrt von Mürsbach über Altenkunstadt nach Kulmbach im Lichtenfelser Land waren. Auch hätte der Reisende Vierzehnheiligen sehen können, denn der Bau war gerade mal 40 Jahre vollendet.
Aus dieser Zeit gibt es aber Aufzeichnungen von Reisenden mit der Kutsche von Franken. Die Straßen der frühen Neuzeit lassen sich am ehesten mit heutigen Feldwegen vergleichen. Sie waren gänzlich unbefestigt und hatten durch die Wagenräder tief eingegrabene Furchen, die wie Geleise wirkten. Diese Furchen und zahlreiche Schlaglöcher machten eine Kutschfahrt zur Tortur. Unfälle und Umwerfen von ganzen Kutschen waren an der Tagesordnung. Das Reisen mit der Kutsche setzte, wie ein Reisender schrieb, vor allem "gute Leibeskonstitution und christliche Geduld" voraus. Die meisten Straßen waren schlecht oder gar nicht gepflastert; die eng beieinander sitzenden Passagiere wurden in den ungefederten Kutschen bei jedem Schlagloch durcheinander gerüttelt. Die ersten Langstreckenverbindungen für Postkutschen waren zu dieser Zeit erst um die 100 Jahre alt. So gab es ab 1690 die Nürnberg-Frankfurt-Linie, sieben Jahre später die Verbindung über Bayreuth nach Dresden, die zweimal in der Woche operierte. 1702 und 1705 wurden die Linien Nürnberg-Coburg (mit der Möglichkeit, nach dem Umsteigen bis Hamburg oder Amsterdam weiterzufahren), bzw. die Linien nach Augsburg und Regensburg ins Leben gerufen.
Der älteste für Franken erhaltenen Fahrplan stammt aus dem Jahre 1697 für die Verbindung Nürnberg-Dresden. Die durchschnittliche Reisedauer betrug zirka 65 Stunden. Um sich ein Bild von den Zeitdimensionen zu machen, sollen hier zum Abschluss einige Beispiele, jeweils von Nürnberg ausgehend, aufgelistet werden: Nürnberg-Regensburg 20 Stunden, Nürnberg-Augsburg 30 Stunden, Nürnberg-Frankfurt 57 Stunden. Die Postkutschen fuhren nicht mehr als Schrittempo, was einer Geschwindigkeit von 4-5 km/h entspricht. Die gleiche Strecke können wir heutzutage auf den gut ausgebauten Wanderwegen am Obermain in einer Stunde sogar zu Fuß erreichen.
Wie fand vor 225 Jahren der Reisender Altenkunstadt vor? So hatte der Ort fast 50 Jahre später 1317 Einwohner. Hier eine Aufnahme aus dem 20. Jahrhundert.
Andreas Motschmann